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Künstlerbücher von Gerhard Richter (Diesen Link besuchen)

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Das Alterswerk von Gerhard Richter hat es in sich! Nicht nur die Bilder des neunundsiebzigjährigen in Köln lebenden Künstlers sondern auch die Kunstbücher, die er in den letzten Jahren stetig herausgegeben hat, bestechen in ihrer eindringlichen Schönheit.
Begonnen hatte diese Entwicklung mit dem Künstlerbuch „WARCUT“ 2004. Gerhard Richter fotografierte im Musee d'Art Moderne de la Ville de Paris 216 Details seines abstrakten Bildes Nr. 648 -2 von 1987 ( 225 x 200 cm), welches das Museum 2002 gekauft hatte. Die Detailaufnahmen im Format 10 X 15 cm kombinierte er mit Texten aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 20. und 21. März 2003 – dem Beginn des Irak-Krieges.
Das Abstrakte des Bildes symbolisiert in diesem Buch das Konkrete des Krieges während der konkrete Text den abstrakten Aspekt spiegelt. Gerhard Richter zeigt die Bilder, die ihn zum Zeitpunkt des Krieges beschäftigten. Durch diesen Zeitpunkt wurde sie zufällig mit einer emotionalen Bedeutung aufgeladen. Gerade durch ihre Abstraktheit und Künstlichkeit zeigen sie, dass jedes Bild eine bestimmte Bedeutung erlangen kann. Der Text dagegen reflektiert eine Debatte die smarte Politiker und eloquente Journalisten führen. Er zeigt, aus welcher Position heraus gedacht und entschieden wird. Die Bilder zu den Texten fallen uns sofort sein. Sie sind durch das Fernsehen und die Medien in unser kollektives Gedächtnis eingeschrieben. Aber diese Bilder zeigt Gerhard Richter nicht. Vielleicht könnte man sagen, dass Richter anstelle der von Kommerz und Macht diktierten medialen Bilder seine 216 Fotos setzt. Denn die Bilderwelt, in der wir uns täglich bewegen, ist trügerisch.
2008 erschien „WALD“ mit 285 Fotos aus dem Kölner Hahnwald. Die Bilder waren nach der überwiegenden Baum- beziehungsweise Ast-Ausrichtung sortiert. Hier zeigte sich der Ansatz, dass eine Reihe von ähnlichen Bildern den Blick auf das Bild verändert. Man kann sagen, jedes einzelne Bild ist weniger als die Summe der Bildreihe. Interessant ist, dass Richter für die Vorzugsausgabe die Original-Fotos mit grauer Farbe unterschiedlich überrakelte. Die strukturelle Ähnlichkeit seiner Rakel-Technik und dem Bildmotiv wird hier augenfällig. Es entstehen zufällige ähnliche Bilder.
Der mit dem Zufallsgenerator bearbeitet e Text stammt aus der Fachzeitschrift "Waldung - Magazin für Wald, Wandern, Wissen". Durch die Bearbeitung verliert er jedoch seinen ursprünglichen Sinn und steht nun als Wortgebilde zur Verfügung. Erstaunlich ist, was dadurch passiert: es entsteht ein Raum für die eigene Phantasie! Unser Verstand sucht automatisch nach einer möglichen Bedeutung und geht dabei die Schubladen im Kopf durch. Das erinnert an die Richtersche Unschärfe.
Die Fotos dagegen sind – außer ihrer Sortierung – unbearbeitet. Sie zeigen Bäume, Äste, Stämme, Laub und Boden. Das also ist der Deutsche Wald, dessen Begrifflichkeit in der Nähe von Heimat angesiedelt ist. Da trifft es sich gut, dass Richter die Bilder unweit seines Hauses im Kölner Hahnwald aufgenommen hat.
2009 folgte „Obrist - O'Brist“ Der Text bestand aus zufallsgenerierten Interviewpassagen von Hans Ulrich Obrist in Blocksatz ohne Absätze oder Einzüge auf 65 Seiten. Dazu 101 Fotos, mit Ölfarbe überrakelt oder mit Pinsel bearbeitet. Die Technik, die er schon bei der Vorzugsausgabe von „WALD“ benutz hatte, führt er in diesem Kunstbuch weiter. Das Buch kann Vice-Versa gelesen werden, jeweils steht ein Teil der Bilder und Texte auf dem Kopf und eröffnet so neue Sichtweisen.
Eine Besonderheit war die Reliefprägung auf dem Buchumschlag. Auf dem Softcover war eine Richter-Arbeit aufgebracht, die wie ein Unikat wirkte.
2010 erreichte Gerhard Richter mit dem Buch „Sindbad“ einen vorläufigen Höhepunkt. Seine 98 gleichnamigen Hinterglasbilder werden in Originalgröße 30 x 24 cm in hochglänzendem Lack per Siebdruck auf das Papier aufgetragen. Es entsteht eine dem Original ähnliche Wirkung. Und die ist atemberaubend!
Der Text ist nicht mehr durch Zufall verfremdet sondern erzählt von den sieben Reisen Sindbads des Seefahrers. Diese Erzählung aus dem Märchen Tausendundeine Nacht markiert eine Wendung hin zu farbigen Erzählstoffen. Insofern passt der Text ausgezeichnet zu den bunten Hinterglasbildern.
Für mich ist es das bisher schönste und beeindruckenste Buch von Gerhard Richter. Die Auflage von 800 Exemplaren war demensprechend schnell vergriffen. Hervorzuheben ist, dass ein Poster als Umschlag um das Buch gefaltet wurde. Dieses Kunstbuch wird sicherlich schnell Sammler interessieren und eine gefragte Rarität werden.
Anfang 2011 erschien „EIS“ mit 171 Fotos, 82 Textblöcken und 22 leeren Flächen jeweils im Format 8,5 x 10 cm und zwei auf einer Seite. Auch hier findet sich die Vice-Versa Bindung. Das Buch kann also von vorn und hinten gelesen werden. Die Hälfte der Texte und Abbildungen stehen so jeweils auf dem Kopf. Die 1972 entstandenen Fotos von Grönland, den Eisbergen, dem graublauem Wasser lassen ein Gefühl dafür aufkommen, wie kalt und bizarr die Landschaft ist. Bald weiß man nicht mehr, wo oben und unten ist. Man kennt diesen Eindruck von den Seestück-Bildern von 1970.
Fotos der Grönlandreise waren bereits Bestandteil des Buches „Atlas“ und dienten als Vorlage für die Bilder „Eis“ 1981, „Eisberg im Nebel“ 1982, und „Eisberg“ ebenfalls 1982.
Wir erhalten durch dieses Buch Einblick in die Arbeitsweise von Gerhard Richter. Aus einer Vielzahl von Bildern wählt er einige wenige aus, um sie auf die Leinwand zu übertragen. Das Motiv ist also das Destillat eines Prozesses, der oft viele Jahre dauert. Am Anfang steht die Idee, der Text, hier in Form von Enzyklopädie-Einträgen aus dem Jahre 1871 über Grönland und seine Bewohner. Dann kommen die Reise und die Fotos, die auf der Reise entstehen. Aus dieser Vielfalt übernimmt der Künstler einige wenige Bilder in seine Materialsammlung, den Atlas. Aus einigen wenigen Materialien entsteht dann irgendwann tatsächlich ein Bild. Insgesamt dauerte dieser Prozess bei den genannten Bildern über zehn Jahre. Und wenn man dieses Buch nimmt, dann sind seit der Entstehung der Fotos fast vierzig Jahre vergangen.
Es ist das vielleicht privateste Künstlerbuch Richters, denn es führt uns zu den Erinnerungen einer längst vergangenen Reise, die ihm heute, 2011 immer noch so wichtig ist, dass er ein Buch darüber herausbringt.
Jetzt warten wir gespannt auf das gerade neu angekündigte Buch „Patterns“. Es soll 520 Seiten im Format 40,5 x 27 cm haben und in Leinen mit Schutzumschlag und Schuber sein. Die Auflage ist auf 800 nummerierte Exemplare limitiert, davon sind 200 Exemplare vom Künstler handsigniert und werden signiert zu einem Preis von € 650,00 angeboten. Unsigniert soll das Buch um die € 400,- kosten.

Eingetragen am: Dienstag, 24.05.2011

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